Völkische Mischung
Olaf Meyer/ Andrea Röpke
Zur Weihnachtsfeier bei Schröders in Masendorf kamen am letzten Sonntag über 150 Sympathisanten mit ihren Kindern. Wie im Vorjahr lockten Gebäck, Glühwein und volkstümliche Musik Menschen aus Weimar, Dortmund, Bad Segeberg, Kiel, Pinneberg, Osnabrück, Salzwedel, Schwerin, Berlin, Cuxhaven, Celle oder Gifhorn in die Lüneburger Heide. Doch in dem Dorf im Landkreis Uelzen fand keine harmlose Weihnachtsfeier statt, hier trafen sich politische Personen zu einem Fest, das gleichzeitig ein Vernetzungstreffen verschiedenster völkischer Spektren darstellte.
Längst gibt es Freundschaften zu Anhängern des pro-russischen, antisemitischen Anastasia-Kultes Auch fehlte einer der Hauptakteure der Corona-Proteste aus Bad Bevensen nicht. In Empfang nahmen die Gäste die sogenannten Völkischen Siedler*innen, rechtsextreme Familienverbände, die sich seit Jahrzehnten dort niedergelassen haben und eng vernetzt sind. Nicht nur die eigenen Reihen wachsen trotz zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Protestes in der Region, hinzugekommen sind Verbündete aus der verschwörungs- und reichsideologischen Szene sowie aus dem Umfeld der AfD. Immer mehr Höfe und immer größere Anwesen sind in den letzten Jahren an Völkische gegangen. Sie sind aktiv in Gymnastikgruppen, Chören, Feuerwehren, Jagdgenossenschaften oder Sportvereinen. Allein 20 Fahrzeuge kamen Sonntag aus dem heimischen Landkreis Uelzen, weitere aus dem nahen Lüneburg und Dannenberg.
Die Einladung für die exklusive Weihnachtsfeier kam per Whatsapp. Tagelang zuvor liefen die Vorbereitungen. Brauchtumspflege ist Teil des rechten Kulturkampfes insbesondere dieser Szene. Nationalistisches Volkstum wird über Musik und Tanz über Generationen weitergegeben. Deren Bemühungen, die Gesellschaft mit Autoritätssehnsüchten, reaktionären Geschlechterbildern und eigennütziger Kindererziehung zu beeinflussen stoßen inzwischen auf breites Interesse. Doch bei den Völkischen sind Reaktion und Anti-Moderne nicht nur ein Trend. Sie erziehen ihren Nachwuchs nach dem Lebens- und Führerprinzip in rechtsextremen Bünden. 2014 marschierten die Jugendlichen des rechtsextremen „Sturmvogel-Deutscher Jugendbund“ vom Hof in Masendorf aus in die Wälder. Es gab sogenannte heidnisch-orientierte „Eheleiten“ in Masendorf und Sonnenwenden. Dennoch erhielten die Männer der Familie Waffenbesitzkarten, Plätze und Pachten unter den Jägern. Ein „Sturmvogel“-Lager mit Kindern fand dann auch auf dem Gelände einer Jagdpacht tief im Wald statt.
Zusammenrücken mit Völkischen
Längst befeuert das gemeinsame Interesse am politischen Widerstand das kulturelle und politische Zusammenwirken. Ein Interesse an „alternativen“ Gesundheitsfragen und der „Germanischen Neuen Medizin“, Impfkritik, gesunde Ernährung oder Ökologie verbinden esoterische, spirituelle und politische Milieu um im Rückgriff auf vermeintlich alte, deutsche Traditionen ihr persönliches Heil im Deutschtum zu finden. Die Offenheit gegenüber antiaufklärerischem Gedankengut und durchaus menschenfeindlichen Haltung in Teilen der Esoterikszene und in alternativen Spektren schaffen Einfallstore für völkische und antisemitische Inhalte und Strukturen. Das nutzen Völkische, um neue Verbündete zu gewinnen. Der „Weihnachtsmarkt“ ist ein Weg um gemeinsam nach rechts und zurück zu gehen.
2023 verabschiedete der Kreistag in Uelzen eine Resolution, in der sich von demokratiefeindlichem Denken abgegrenzt wird. Es gebe im Landkreis Uelzen keinen Raum für „völkisch-rassistisches Gedankengut“, heißt es darin. Konkret möchte der Landkreis in Zukunft vermehrt Beratungsangebote und Weiterbildungen in diesem Bereich anbieten. Auch die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus sieht in den Landkreisen Uelzen und Lüneburg längst Schwerpunkte völkischen Denken und Erlebens. Nur die beiden Kreistagsmitglieder der AfD stimmten gegen die Resolution, darunter der ehemalige AfD-Landesvorsitzende Frank Rinck.
Die Völkischen und Rechtsbündischen sind der akademische Kern des Rechtsextremismus. Zu ihnen zählen Köpfe wie Götz Kubitschek, Björn Höcke und eine Riege weiterer führender AfD-Politiker, die dafür sorgten, dass dieses antidemokratische Weltbild tonangebend in die Programmatik der Partei einfloss. Bereits vor der Gründung der AfD 2013 waren viele spätere Parteimitglieder in nationalistischen Gruppierungen aktiv, die wenig unter dem Radar der Verfassungsschutzbehörden liefen und die ihnen bis heute neben der Parteiarbeit eine politische Heimat bieten. Lange blieben auch die Aktivitäten in Masendorf im Verborgenen. Inzwischen haben sich viele Engagierte in der Region der Initiative „Beherzt“ angeschlossen.